Dürfen Veganer*innen Demeter-Produkte konsumieren?

Demeter steht für den dynamisch-ökologischen Landbau und unterliegt sehr strengen Vorgaben. Das anspruchsvolle Demeter-Siegel geht in vielerlei Hinsicht noch weiter als die Bio-Richtlinien und berücksichtigt dabei auch diverse Nachhaltigkeitsaspekte. Da Demeterhöfe aber eine Tierhaltung vorschreiben, kommt immer wieder einmal die Frage danach auf, wie vegan Demeterprodukte überhaupt sein können. In diesem Blogpost möchte ich – selbst Veganerin – versuchen, genau darauf Antworten zu finden.
*Dieser Blogpost ist in bezahlter Zusammenarbeit mit der Migros entstanden. Alle Meinungen sind meine eigenen.
Im Rahmen eines Videoprojekts hatte ich vor zwei Jahren die Möglichkeit, einen Bio- und einen Demeterhof zu besuchen. Ich konnte so direkt vergleichen, wo die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Siegel liegen. Darum möchte ich vorab, damit keine Verwirrung entsteht, auch euch die beiden Labels Bio-Knospe-Standard und Demeter einander gegenüberstellen. Alle in der Schweiz produzierten Demeter-Lebensmittel tragen nämlich auch den Bio-Knospe-Standard, oder erfüllen ihn, auch wenn sie nicht Knospe-zertifiziert sind. Sprich: Demeter-Produkte sind immer biologisch und werden nach denselben, teils jedoch noch strengeren Vorgaben als es bei biologischen Lebensmittel der Fall ist, produziert.
Die Tierhaltung auf auf Demeter-Höfen orientiert sich im Grundsatz darum ebenfalls an den Richtlinien von Bio Suisse, geht in gewissen Punkten jedoch noch weiter. Basierend auf den anthroposophischen Grundsätzen aus Steiners Landwirtschaftlichem Kurs haben Demeter Betriebe das Ziel in Form von biodynamischer Landwirtschaft einen natürlichen Austausch von Futter und Mist zu fördern. Das heisst: Um die Qualität des Bodens zu verbessern werden biodynamische Dünger eingesetzt, die aus tierischen und mineralischen Stoffen hergestellt werden. So kann dem Boden das zurückgegeben werden, was ihm entzogen wird. Auf Demeterhöfen ist eine Tierhaltung daher zwingend, da ansonsten eine Bewirtschaftung im Kreislauf gar nicht möglich ist.
Die Anzahl der Tiere ist der Grösse des Betriebs angepasst und der Zukauf von Futter und Zusatzstoffen ist sehr stak reguliert. Die Tiere (insbesondere die Kälber) dürfen nur in Gruppen und so gehalten werden, dass jederzeit natürliche Verhaltensgewohnheiten und Bewegungsabläufe gewährleistet sind. Entgegen den Richtlinien von Bio Suisse ist die Enthornung von Tieren in der Demeter Haltung verboten. Auch nicht erlaubt ist das Töten von männlichen Küken. Bei der Verarbeitung von Fleischwaren ist zudem das Hinzufügen von Nitrit (Pökelsalz) nicht erlaubt.
Bio vs. Demeter – eine Übersicht
Die nachfolgende Tabelle zeigt euch zudem weitere Unterschiede von Bio und Demeter auf.
Zusatzstoffe
- Konventionell ca. 300 Zusatzstoffe, Bio ca. 50 Zusatzstoffe, Bio Suisse ca. 30 Zusatzstoffe
- Demeter: 16 Zusatzstoffe
Verpackung
- Bio: Metallbedampfte Materialien sind zulässig, Metall-Verbund-Packungen und reine Aluminiumfolien sind in begründeten Fällen zugelassen.
- Demeter: Verwendung von Aluminium soll vermieden werden; wenn möglich soll Verpackung recyclierbar sein; keine Alubedampfung; möglichst kein Einsatz von Verbund-Materialien
Milch
- Bio: Mit Einschränkungen sind Homogenisierung, Standardisierung, Mikrofiltration und UHT-Behandlung zulässig
- Demeter: nur Pasteurisierung (max. 80°C) ist erlaubt; keine Homogenisierung; keine Erhitzungsverfahren wie Sterilisation und UHT.
Teigwaren
- Bio: Einsatz von Getreidestärke (Reisstärke), Weizengluten erlaubt
- Demeter: Getreidestärke und Gluten nicht erlaubt, Ganzheitlichkeit der Produkte wird angestrebt
Wein
- Bio: Viele Verarbeitungshilfsstoffe erlaubt, z.B. Hausenblase und Gelatine als Schönungsmittel, Ammoniumphosphat, technisches Gas Ar, Kaliummetabisulfit (E224) als Konservierungsmittel, Pektinase (auch bei Spirituosen)
- Demeter: Schönung mittels Eiweiss, Milch, Molke, Kasein, Erbsen–/Weizenprotein, nicht mit Gelatine. Filtration mit Bentonit, Kieselgur oder Perlit. Keine weiteren Verarbeitungshilfsstoffe erlaubt
Fleisch
- Bio: Nitrit/Nitrat erlaubt
- Demeter: kein Nitritpökelsalz in Fleisch- und Wurstwaren
Wie vegan ist Demeter nun also?
Wie eingangs erwähnt, ist eine Tierhaltung für einen Demeter-Betrieb vorgeschrieben. Auf Demeter-Höfen müssen Tiere gehalten werden, damit der Stoffkreislauf geschlossen ist. Die biodynamischen Bäuer*innen arbeiten in Abstimmung mit natürlichen Rhythmen. Dadurch wird auf den Demeter-Hof ein lebendiger Organismus geschaffen der Boden, Pflanze, Tier und Menschen stärkt. Dahinter steht der Gedanke: Jeder Hof soll zu einem Organismus ausgestaltet sein, der aus sich selbst heraus lebensfähig ist. Demeter-Bauern sind laut Richtlinien verpflichtet, bestimmte Präparate aus Heilkräutern, Mineralien und Kuhdung regelmäßig zu verwenden.
Kritiker*innen spotten häufig genau darüber. Die die esoterisch-anthroposophische Ausrichtung des Demeter-Verbands und die Vorschriften zur Verwendung von „biodynamischen Präparaten“ („Heilmittel für die Erde“) wie beispielsweise mit Kuhfladen gefüllte Hörner, die ein halbes Jahr in der Erde vergraben werden müssen, gehen inbesondere vielen Veganer*innen zu weit. Für viele von ihnen ist es nicht vertretbar, Obst und Gemüse von einem Hof zu essen, der auch Tiere hält oder die Hörner von toten Tieren zum späteren Düngen befüllt. Und ehrlich gesagt: Auch ich bin vor zwei Jahren genau mit diesem Vorbehalt auf den Demeterhof gefahren, von dem ich euch eingangs erzählt habe. Auch gegenüber dem Bauern war ich ehrlich und äusserte meine Bedenken. „Was glaubst du, kann Demeter überhaupt vegan sein?“, fragte ich ihn. Seine Antwort kann ich noch heute eins zu eins wiedergeben: „Weisst du, wenn ich diesen Hof hier nicht hätte, dann wäre ich auch Veganer.“ Er meinte damit, dass er niemals Obst und Gemüse eines konventionellen Betriebs essen würde. Gerade, weil auf eben diesen Betrieben Tiere leben, die weniger gut gehalten werden.
Dieses Argument ist total einleuchtend. Denn mal Hand aufs Herz: Essen diese Veganer*innen, die die Tierhaltung in Demeter-Betrieben kritisieren, denn ansonsten ausschliesslich Obst und Gemüse, welches von Höfen stammt, die keine Tiere halten? Das wäre natürlich schön und ohne Frage: Es gibt sie, diese bio-veganen Höfe. Aber eben nur sehr selten. Ich kenne genau einen einzigen. Wenn ich als Veganerin also wirklich nur Lebensmittel geniessen möchte, die auf Höfen gewachsen sind, auf denen gar keine Tiere gehalten werden, dann muss ich mir a) einen solchen Hof suchen und b) konsequent nur von dort meine Lebensmittel beziehen. Ich dürfte also auch nicht mehr auswärts essen, weil ich ja nicht wissen kann, woher das Gemüse stammt. Wenn ihr mich fragt, ist das nur für sehr wenige Menschen wirklich immer im Alltag umsetzbar. Persönlich kenne ich viele Veganer*innen – aber keine einzige Person kauft lediglich Produkte auf bio-veganem Landbau.
Für mich persönlich ist darum genau das das Argument, warum ich eben gerne Demeter-Produkte kaufe. Ich kann in vielen (in den meisten) Fällen nicht verhindern, dass auf dem Hof, auf welchem mein Gemüse gewachsen ist, auch Tiere leben. Das kann ich oftmals nicht beeinflussen. Was ich aber tun kann, ist darauf zu achten, dass ich eben nur biologisch oder bio-dynamisch produzierte Produkte einkaufe, weil diese Höfe auf Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit achten. Und da bin dann eben ganz schnell wieder bei Demeter: Die Richtlinien gewährleisten einen ganzheitlichen Ansatz und einen schonenden Umgang mit Natur und Tieren. Wenn ich also die Wahl habe zwischen konventionell angebauten Lebensmitteln und Demeter, dann wähle ich klar Letzteres. Weil das besser ist für die Umwelt und weil ich weiss, dass es auch den Tieren auf diesen Höfen besser geht als auf konventionellen Betrieben. Denn wer glaubt, durch einen rein pflanzlichen Einkauf per se kein (Tier)leid zu verursachen, liegt prinzipiell falsch.
Denn wer glaubt, durch einen rein pflanzlichen Einkauf per se
kein (Tier)leid zu verursachen, liegt prinzipiell falsch.
Düngung funktioniert auch ohne Tiermist
Was ich hingegen verstehen kann, ist, dass es nicht stimmt, dass Düngung nur durch Einsatz für Tiermist funktioniert. Dass Bäuer*innen ihre Pflanzen ja nur bekämen, weil durch die Tierzucht der passende Dünger hergestellt würde, ist nicht wahr. Bio-veganer Landbau nämlich ist durchaus möglich. Aber es besteht einfach zu wenig aktive Nachfrage und zu wenig Angebot nach bio-vegan erzeugten Produkten.
Bio-vegane Landwirtschaft kommt ganz ohne tierischen Dünger aus. Sie setzt auf Stickstoff-Kreisläufe, auf Leguminosen, Nützlinge, Komposte und pflanzliche Jauchen. Ich selbst kaufe bei uns in Luzern am Wochenmarkt gerne an einem Stand ein, der gänzlich vegan produziert. Aber selbst ich würde mich nicht so einschränken wollen, nur noch da meine Lebensmittel zu beziehen. Und das, obwohl ich mir meine Zeit grösstenteils selbst einteilen kann.
Ob Veganer*innen also ihre Lebensmittel von Höfen beziehen wollen, die auch Tiere halten, muss am Ende des Tages jede*r für sich selbst beantworten. Klar ist, dass jede*r Konsument*in ganz oft Lebensmittel einkauft, die per se vegan sind, aber nicht in einem rein pflanzlichen Umfeld produziert wurden. Das ist etwas, was sich Veganer*innen immer wieder vor Augen führen müssen. Wer diesen Kompromiss nicht eingehen möchte, muss penibel genau darauf achten, ausschliesslich bio-vegane Betriebe zu unterstützen. Dass das nicht für alle umsetzbar ist, ist klar. Und dass das ein Privileg ist, welches nicht allen offen steht, sowieso. Auch klar sein muss, dass die Entscheidung dafür oder dagegen niemanden zu einem besseren Menschen oder gar zu einer*m besseren*m Veganer*in macht.
Meine liebsten Rezepte mit Demeter-Produkten aus der Migros findet ihr hier:
10 thoughts on “Dürfen Veganer*innen Demeter-Produkte konsumieren?”
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Liebe Anina,
ich finde du hast mit diesem Beitrag wirklich schön die Fakten auf den Punkt gebracht. Meiner Meinung nach ist auch das „Demeter-Zertifikat“ nicht perfekt, aber für Produkte, die ich nicht Bio-Vegan kaufen kann eine gute Alternative.
Es gibt meiner Ansicht nach immer Verbesserungsmöglichkeiten und wer weiß, vielleicht gibt es in der Zukunft ja eine größere Nachfrage und damit auch ein größeres Angebot an bio-veganen Produkten.
Ja, auf jeden Fall. Danke für das Teilen deiner Gedanken, liebe Tabea.
Vielen Dank für diesen lehrreichen Blog!
Sehr gerne, liebe Iris.
Hey,
Schöner und interessanter Artikel. Ich hätte mir mehr Infos und Kritik an Steiner und seinen esoterischen und teils auch rassistischen Ansätzen gewünscht. Hier beispielsweise auch nachzulesen https://anthroposophie.blog/landwirtschaft/ und https://allgaeu-rechtsaussen.de/2020/06/12/rudolf-steiners-langer-schatten/. Aber gibt noch viel mehr natürlich dazu zu lesen, einfach googlen. Aus diesem Grund kann ich diese Sachen, die sich ja immer noch auf Steiner berufen und ihn feiern und sich nicht von seiner Ideologie abgrenzen, nicht gutheißen und unterstützen.
Danke, liebe Vera. Das ist ein guter Input, das wäre sicher eine Extra-Recherche Wert. Liebe Grüsse, Anina
Ich war auch zuerst skeptisch, deswegen vielen Dank für den toll recherchierten und feinfühligen Beitrag!
Sehr gerne, danke!
Liebe Anina, Danke für diesen informativen und interessanten Beitrag. Ich freue mich immer über deine kritischen Beleuchtungen und mag deinen Schreibstil sehr. Wirklich tolle Arbeit.
Liebe Anina
Danke für diesen Einblick und die Recherche! Ich muss ehrlicherweise sagen, dass mich die Esoterik daran am allermeisten stört und gar nicht unbedingt, dass sie auch Tiere halten weil sie ja, wie du sagst, nicht schlecht gehalten werden.Ich habe aber Mühe damit, dass sie mit so einer Pseudoreligion/Wissenschaft arbeiten und bin mir nicht sicher, ob die Preise wirklich den Aufwand widerspiegeln oder auch aufgrund des Esoterikanteils/der Marke so hoch sind. Ich finde auch, dass sie etwas zu wenig offen damit umgehen. Ihre Richtlinien bezogen auf den Anbau/Düngen/die Haltung ja, sogar sehr offen, damit werben sie, der Esoterikteil praktisch gar nicht.
Vielen Menschen ist gar nicht so recht bewusst, was noch dahinter steckt und so ein Verhalten kennt man eher von Sekten als von Bauernhöfen. Das stört mich etwas.
Ich werde nicht gar keine Demeterprodukte mehr kaufen, aber es hält mich doch ein bisschen davon ab. Natürlich ist das nur meine persönliche Einstellung, aber mit Esoterik habe ich wirklich Mühe ganz allgemein ist das für mich eher Geldmacherei und Pseudowissenschaft. Wie gesagt, das sei jedem selber überlassen, wie er/sie dazu steht. Dass Demeter aber in anderer Richtung einen tollen Weg bestreitet, finde ich sehr lobenswert.
Liebe Grüsse