Nachhaltigkeit und 5-Sterne-Hotel: Wie umweltfreundlich kann das sein?

Hoteliers können sich heute nicht mehr nur auf ihre Sterne verlassen, denn immer mehr Gäste achten auf darauf, wie nachhaltig eine Unterkunft ist. Doch wie schafft es ein Hotelbetrieb, sich wirklich nachhaltiger aufzustellen? Was heisst das konkret in der Umsetzung und welche Siegel sind überhaupt erstrebenswert? Während meines Aufenthalts im frisch renovierten Cervo in Zermatt hatte ich die Möglichkeit, den Küchenchef und die Nachhaltigkeitsmanagerin des Hotels dazu zu befragen. Ich zeige euch in diesem Blogpost, wie grünere Hotellerie aussehen kann und wo sie vielleicht aber auch an die Grenzen der Wirtschaftlichkeit stösst.
*Dieser Beitrag ist in unbezahlter Zusammenarbeit mit dem Cervo entstanden (Pressereise, Einladung)
Das Gute liegt so nah. Das ist schon seit geraumer Zeit mein Motto für alle Urlaube, die ich plane. Ich fliege seit über zwei Jahren nicht mehr und reise viel lieber mit dem Zug. Obwohl die Schweiz so klein ist, kenne ich viele Ecken dieses Landes noch überhaupt nicht. Während es für viele Touristen, die das Land besuchen, eine Selbstverständlichkeit ist, das Matterhorn zu sehen, habe ich es in 26 Jahren meines Lebens noch nicht nach Zermatt geschafft. Das sollte sich mit meinem Besuch im Cervo endlich ändern.
Schon die Zugfahrt hinauf ins Winterwunderland hat unglaublich viel zu bieten. Ich klebe regelrecht am Zugfenster und beobachte begeistert die an mir vorbeiziehende Landschaft. Während ich die eingeschneiten Wälder und verträumten Bergketten bestaune, male ich mir aus, was mich wohl im Cervo erwarten würde. Bislang weiss ich nicht viel. Nur, dass das Hotel gerade neu eröffnet hat und sich das Cervo zum Ziel setzt, möglichst nachhaltig zu wirtschaften. Nun, Nachhaltigkeit ist ein sehr grosses Wort. Jede*r legt es unterschiedlich aus und stellt andere Ansprüche. Umso gespannter bin ich deshalb, wie ernst es ein 5-Sterne-Hotel mit der Nachhaltigkeit wirklich meinen kann. Durch meinen Beruf durfte ich ja schon in so einigen tollen Hotels nächtigen. Nicht wenige davon warben sehr gerne damit, umweltfreundlich zu sein. Am Ende des Tages konnte ich dann aber doch sehen, wie das eindrückliche Frühstücksbuffet bis kurz vor Schluss neu beladen wurde, nur um die gesamten Frischwaren danach zu entsorgen. Da bringt es natürlich wenig, dass die Esswaren allesamt aus der Region bezogen werden. Food-Waste ist und bleibt die grösste Ressourcenverschwendung unserer Zeit. Nun: Es wäre also gelogen zu sagen, dass ich nicht auch mit einer gewissen Skepsis und ein paar begründeten Vorurteilen nach Zermatt reise.
Zutaten aus weniger als 150 Kilometer Entfernung
Den Küchenchef Markus sehen wir bei unserer Ankunft im Hotel direkt schon in Aktion. Mit guter Laune wirbelt er durch die offene Küche des Restaurants Bazaar und richtet mit gekonnten Handgriffen die orientalischen Speisen an. Das Team hier arbeitet Hand in Hand. Wie wir später beim Gespräch erfahren, arbeiten alle Angestellten hinter dem Tresen hier erst seit wenigen Tagen zusammen. Wir werfen einen Blick auf die Karte. Die lange Fahrt macht hungrig. Der Vegi-Filter ist besonders praktisch, so sehe ich direkt, was ich alles bestellen kann. Süsskartoffelhummus, im Ofen gegarter Sellerie, grillierte Aubergine, Butternusskürbis mit Zwiebelcreme und Tajin – mir läuft das Wasser im Mund zusammen und so bestelle ich gleich alles, was ich soeben aufgezählt habe. Wie ich später von Markus erfahre, kommt keine der Zutaten für die Speisen von weiter weg als 150 Kilometer. Sogar die Kichererbsen für den Hummus stammen sogar aus der Schweiz. Wenn immer es geht, werden regionale Anbieter bevorzugt. Das gelingt in 80 Prozent aller Fälle. Bei all den Produkten ausserhalb dieses Rahmens, achtet das Cervo auf Bio- und Fairtrade-Siegel.
Markus, der schon seit sieben Jahren im Cervo arbeitet, kennt das Haus bestens. Das Konzept des Restaurants Bazaar ist aber neu, auch für ihn. Er habe sich viel eingelesen, um die orientalische Küche besser zu verstehen. Ausserdem habe er viele der Länder, von denen die Inspirationen für die Gerichte stammen, schon selbst bereist. Iran, Irak, Nordafrika – Markus ist ein richtiger Weltenbummler. Die orientalische Küche unterscheide sich schon sehr von der europäischen, erzählt er mit einem Leuchten in den Augen. „Ich konnte gar nicht glauben, dass es wirklich so viele frische Kräuter braucht für nur ein einziges Gericht“, sagt er und wirkt noch immer beeindruckt. Er habe viele Küchenexperimente gewagt und sei nicht selten erstaunt darüber gewesen, welche Zutaten am Ende doch ein ausgezeichnetes Resultat ergaben.
Nachhaltigkeit ist nicht für alle Mitarbeiter*innen selbstverständlich
Das Menü im Bazaar im Cervo wird jeweils der Saison angepasst. Schon im kommenden Frühjahr soll ausserdem ein Teil der Frischwaren aus dem eigenen Garten kommen. Vor allem mehrjährige Lebensmittel wie Beeren oder Kräuter eigneten sich dafür wunderbar, so Markus. Während der passionierte Koch von seinen weiteren Ideen und Visionen für das Cervo erzählt, huscht Madeleine vorbei. Sie winkt mir zu, stellt sich vor und verschwindet dann wieder mit einem grossen Tablett in der Hand in der Küche. Die Nachhaltigkeitsmanagerin scheint nicht nur in Sachen Umweltthemen engagiert – sie hilft auch tatkräftig im Service mit. Vor allem jetzt, wo noch alles neu ist. „Sie treibt uns manchmal in den Wahnsinn“, scherzt Markus und nickt in die Richtung, in die Madeleine verschwunden ist. „Im positiven Sinne“, ergänzt er und lacht.
Natürlich konfrontiere ich Madeleine sofort mit dieser Aussage, als sie sich ein Glas Wasser schnappt und sich auch zu uns setzt. Die junge Frau lacht auf und nickt bestätigend. Sie wisse genau, was Markus damit meine. Für sie seien viele Dinge in Sachen Nachhaltigkeit so selbstverständlich, dass sie von anderen im Team manchmal zu schnell verlange, dass sie das auch so sehen und verstehen. „In einem 5-Sterne-Betrieb ist aber vieles von dem, was für mich sonnenklar ist, gar nicht so logisch“, ergänzt sie. Ob sie ein Beispiel dafür habe, will ich wissen. Madeleine hat viele davon: Bevor ihre Stelle geschaffen worden sei, seien Gerichte aufs Zimmer beispielsweise mit einer Plastikfolie serviert worden. Heute gebe es stattdessen wiederverwendbare Boxen für den Roomservice. Ein weiterer Punkt sei das Frühstücksbuffet. Von einem 5-Sterne-Hotel erwarteten die Gäste eine möglichst grosse Auswahl und Vielfalt, schon morgens. Das führe aber leider oft zu sehr viel Food-Waste. Die Lösung? Ein kleineres Angebot am Buffet und ein zusätzliches à la Carte Menü, vom dem die Gäste bestellen können. Das verhindere, dass lauter Wärmebehälter voll blieben und man Lebensmittel wegwerfen müsse.
Alle Initiativen aufzuzählen, die Madeleine schon unternommen hat, um das Cervo noch nachhaltiger zu gestalten, würde den Rahmen sprengen. Dass das Hotel aber nachweislich nachhaltig wirtschaftet, hat das Hotel seit einer Woche schriftlich. Madeleine platzt fast vor stolz, als sie mir vom Zertifikat erzählt. „ibex fairstay“ zeichnet Hotels aus, welche ihre Verantwortung für ein nachhaltiges Handeln überdurchschnittlich gut wahrnehmen. Sie sind „enkeltauglich“ – damit auch unsere Kinder und Enkelkinder all das Schöne noch sehen und erleben können. Das Cervo hat den Goldstatus bekommen. „Der nächste Schritt ist Platin“, sagt die Nachhaltigkeitsmanagerin bereits mit Blick in die nahe Zukunft.
Damit nicht nur Madeleine selbst Nachhaltigkeit gross schreibt, gibt es im Cervo Workshops für Verantwortliche aus allen Teams. So will das Hotel es schaffen, dass der Umweltgedanke bis zum Gast weitergetragen wird. „Nur, wenn auch beispielsweise unser Service Bescheid weiss, was dem Cervo wichtig ist, kann es auch der Gast spüren und verstehen“, so Madeleine. Generell sei es die grösste und schwierigste Aufgabe, alle Initiativen an die Kundschaft weiterzutragen.
Auch Gäste tragen eine Verantwortung
Ich habe in diesem Beitrag jetzt viel über Nachhaltigkeit in der Küche des Hotels berichtet. Nicht unerwähnt möchte ich aber lassen, dass das Cervo fast 95% des Energiebedarfs mit Erdwärme deckt. Für die restlichen 5% kommt Erdgas zum Einsatz und in den nächsten Jahren ist der Umstieg zu Biogas geplant. Das langfristige Ziel ist es, eine 100% CO2 neutrale Energieerzeugung für Heizung und Warmwasser zu erreichen. Bereits jetzt wird sämtliche Abwärme im Hotelbetrieb wieder verwendet.
Wichtig ist es mir, zum Schluss auch noch anzumerken, dass natürlich nicht nur das Hotel selbst, sondern auch die Gäste dazu beitragen können, während es Aufenthalts Ressourcen zu schonen. Es sind die kleinen Dinge, die übers Ganze gesehen eine grosse Wirkung haben: Nicht unnötig Wasser laufen lassen, das Handtuch nicht jeden Tag wechseln, abends auch mal vegan/vegetarisch essen statt das Fleisch zu wählen, uvw. Klar ist nämlich, dass auch in den Köpfen der Gäste eine Veränderung stattfinden muss, wenn nachhaltige Hotellerie eine Zukunft haben soll. Ansonsten geraten viele tolle Ansätze eines Hotels schnell an ihre wirtschaftlichen Grenzen. Auch das Cervo ist davon nicht ganz befreit. So gibt es Dinge, die Gäste in dieser Preisklasse gewissermassen erwarten oder sogar Vorschriften, die dem Hotel aufgrund der 5-Sterne auferlegt werden. Ein Beispiel: Es ist Pflicht, dass Ohrstäbchen und Wattepads angeboten werden. Diese sind dann natürlich in Plastik verschweisst und müssen jedes mal ausgewechselt werden.
Plattformen wie „bookdifferent“, die den Buchenden anzeigen, wie nachhaltig die Unterkunft ist, zeigen schon heute, dass Gäste immer mehr Wert auf ein nachhaltiges Konzept legen. Auch wenn diese Entwicklung erst am Anfang steht, hofft das Cervo durch seine Bemühen gewissermassen auch ein Schaufenster für andere Betriebe in der Schweiz und in Zermatt zu werden. Wünschenswert sei es, gemeinsam eine nachhaltigere Welt zu schaffen, welche die Menschen zusammenbringt, neue Arbeitsplätze schafft, die hiesige Wirtschaft stärkt und sich gleichzeitig aber eben nur minimal auswirkt auf die Umwelt. Ein schöner Gedanke, wie ich finde.